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Neue Fangquoten für Hering und Dorsch: Steht die Ostseefischerei vor dem Aus?

Im Kampf gegen die Überfischung in der Ostsee hat der EU-Ministerrat ein Ausrufezeichen gesetzt. 2022 darf wesentlich weniger Fisch aus dem Meer geholt werden. Die Ostseefischer fürchten um ihre Existenz.


Für die Ostseefischer ist es ein harter Schlag. In der westlichen Ostsee dürfen sie künftig keinen Dorsch und sehr viel weniger Hering gezielt aus dem Meer holen. Beide Fischarten sind elementar für die Fischer, gelten als "Brotfisch". Doch es steht nicht gut um die Bestände, das ist bekannt. Nun einigten sich die EU-Länder auf einen drastischen Schritt. Der Fang von Dorsch soll lediglich als Beifang in Höhe von knapp 490 Tonnen möglich sein und nur noch 788 Tonnen Hering gefischt werden dürfen, wie aus einer Mitteilung der EU-Länder hervorgeht. Gezielte Heringsfischerei mit Schleppnetzen wird untersagt.

In diesem Jahr dürfen EU-weit noch 1600 Tonnen westlicher Hering und 4000 Tonnen westlicher Dorsch gefangen werden. Hintergrund der neuen Regeln sind besorgniserregende Entwicklungen vieler Fischbestände in der Ostsee. In einer Mitteilung wies das Bundeslandwirtschaftsministerium darauf hin, dass es dem Beschluss nicht zustimme. Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) hatte vergeblich gefordert, dass über den westlichen Hering im Dezember entschieden werden sollte, weil dieser Bestand in nördlichere Gewässer wandert und auch andere Länder ihn fischen.


Eine "Katastrophe" für deutsche Fischerei

Verhandlungen mit diesen Ländern sind für Dezember angesetzt. Klöckner befürchtet, dass eine strikte EU-Entscheidung für die Ostsee andere Länder zu einer hohen Fangmenge in anderen Meeren verleiten könnte. Das erwartet auch der Direktor des Thünen-Instituts, Christopher Zimmermann. Die Folge werde sein, dass der Heringsbestand keine Chance bekomme, sich zu erholen. Weitgehend einig sind sich der Deutsche Fischereiverband, Naturschützer und Ministerium in den Auswirkungen für die deutsche Ostseefischerei: Sie stehe vor dem Aus, sagte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Sascha Müller-Kraenner.

"Unter dem Strich ist das für die deutsche Fischerei, das muss man ganz klar sagen, eine Katastrophe", sagte Fischerei-Verbandssprecher Claus Ubl der Deutschen Presse-Agentur. Dorsch und Hering seien die "Brotfische". "Und wenn die dermaßen gekürzt werden, dass man sie nicht mehr gezielt befischen darf, dann kann sich jeder ausrechnen, dass da kaum noch ein Fischer von überleben kann", sagte Ubl. Und "wenn ich keinen Fisch fange, kann ich auch Strukturen wie Kühlhäuser, Eismaschinen und anderes nicht mehr halten - und wenn die einmal weg sind, sind sie weg." Dass die Quoten für Scholle und Sprotte angehoben wurden, werde einigen Fischern helfen, zu überleben.


Gegen den Kollaps des Ökosystems

Klöckner sprach von "massivsten Einschnitten" für die Fischerei. Sie kündigte an, sich für eine finanzielle Unterstützung der Fischerei einzusetzen. Der Bund will mit den Ländern ausloten, ob weitere "Abwrack-Maßnahmen" notwendig seien. Umweltschutzorganisationen reagierten mit gemischten Gefühlen auf das Ergebnis: "Uns bleibt nicht mehr lange, um einen vollständigen Kollaps des Ökosystems in der Ostsee zu verhindern", teilte BUND-Vorsitzende Olaf Bandt mit. Es sei aber ein Schritt in die richtige Richtung gemacht worden. Neben zu hohen Fangmengen in den vergangenen Jahren habe auch der Klimawandel einen negativen Einfluss auf die Populationsentwicklung, betonte die Organisation MSC, die sich für eine nachhaltige Fischerei einsetzt.

Die EU-Länder folgen beim Hering dem Vorschlag der EU-Kommission, beim westlichen Dorsch übersteigt die Einigung den Vorschlag der Brüsseler Behörde um rund 165 Tonnen. Für Deutschland bedeutet das, dass 435 Tonnen westlicher Hering und 104 Tonnen westlicher Dorsch gefangen werden dürfen. Die DUH kritisiert, dass die Entscheidung hinter den Vorschlägen der Kommission zurückbleibe. Zahlreiche Organisationen für Umweltschutz kritisieren schon seit Jahren zu hohe Fangmengen. Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack sprach davon, dass die nun beschlossene "Vollbremsung" zu spät komme und die Ostseefischerei sehenden Auges in den Abgrund stürze, weil die EU-Länder jahrelang die Warnungen von Wissenschaft und Umweltschützern ignoriert hätten.

In der Einigung zum Hering findet sich auch eine Ausnahmegenehmigung für Fischerboote unter zwölf Meter, die mit "passivem Fanggerät", also etwa Stellnetzen, weiterhin gezielt Heringe fischen dürfen, wie eine Sprecherin des Bundesagrarministeriums bestätigte.

Doch nicht nur auf Berufsfischer kommen Einschränkungen zu, auch Hobby-Angler sind betroffen: Sie dürfen außerhalb der Schonzeit pro Tag und Person nur noch einen Dorsch und einen Lachs fangen. "Der Fischereistopp hätte auch für die Angelfischerei gelten müssen", sagte Maack. Es sei kaum zu kontrollieren, ob sich alle an das Limit hielten.