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EAWAG: Bodensee - Leben unter veränderten Bedingungen

Nährstoffveränderungen, invasive Arten und der Klimawandel beeinflussen das Ökosystem im Bodensee stark. Das zeigt ein grosses Projekt von sieben Institutionen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich. Die Resultate werden zum Abschluss des Projekts an zwei Veranstaltungen vorgestellt.

«SeeWandel: Leben im Bodensee – gestern, heute und morgen» heisst das Projekt, in dem Forschende von sieben Institutionen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich in den letzten fünfeinhalb Jahren das Ökosystem Bodensee unter die Lupe genommen haben. Unter der Leitung des Wasserforschungsinstituts Eawag untersuchten sie, wie verschiedene Wasserorganismen auf die wechselnden Umweltbedingungen in den letzten Jahrzehnten reagiert haben, und welche Folgen in jüngster Zeit im See zu beobachten sind. Der Fokus lag dabei auf den komplexen Wechselwirkungen zwischen invasiven und gebietsfremden Arten, veränderten Nährstoffeinträgen sowie Klimaänderungen. Die Resultate zeigen, dass diese Stressfaktoren das Ökosystem stark beeinflussen. Nun steht das Projekt vor dem Abschluss.


Informationsveranstaltungen für Wissenschaft und Praxis

Am 13. und 14. Juni 2023 werden die Ergebnisse der 13 Teilprojekte nun mit einem wissenschaftlichen Symposium und einer Informationsveranstaltung für die Praxis vorgestellt. Eine der wichtigsten Erkenntnisse des SeeWandel-Projekts ist laut Projektleiter Piet Spaak von der Eawag, dass «das Ökosystem viel komplexer ist, als sich die am Projekt Beteiligten das am Anfang vorgestellt haben. Die Bodenseefischer hatten gefordert, dem See Phosphor zuzuführen, damit sie wieder grössere Fische fangen. Jetzt verstehen wir, dass es auch invasive Arten im See gibt, die das ganze System durcheinanderbringen, und dazu beitragen, dass weniger Fische gefangen werden.» Zwei dieser invasiven Arten hat das Projekt genauer unter die Lupe genommen: den Dreistachligen Stichling und die Quaggamuschel.



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Die Quaggamuschel fühlt sich im Wasser auf fast allen Oberflächen wohl: hier auf Trägern der
Seebühne Bregenz. (Foto: Thomas Blank, Abteilung Wasserwirtschaft Vorarlberg)



Aus der Quaggamuschelinvasion lernen

Die ursprünglich aus dem Schwarzmeerraum stammende Quaggamuschel wurde 2016 erstmals im Bodensee nachgewiesen. Zu Projektbeginn kam sie nur vereinzelt vor, mittlerweile besiedelt sie den See bis in grosse Tiefen. «Als Wissenschaftler war es zwar interessant, diese Entwicklung live zu verfolgen, aber es ist auch dramatisch», sagt Spaak. Weil die Muscheln überall wachsen können, verstopfen sie zum Beispiel Ansaugrohre der Wassergewinnungsanlagen. Und da sie sich von Algen ernähren, die sie aus dem Wasser filtern, verringern sie die Produktivität des Sees. «Als Folge davon dürften die Fischfänge weiter zurückgehen» so Spaak. Die Erkenntnisse aus der Quaggamuschelinvasion haben die Forschenden in einem Merkblatt zusammengefasst und in der Öffentlichkeit publik gemacht, sodass eine ähnliche Entwicklung in anderen Seen zwar nicht verhindert, aber zumindest verzögert werden kann.



 
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So unterschiedlich können Stichlinge im Bodensee sein. Beides sind adulte Weibchen. Oben
eines aus dem freien Wasser im See, unten eines aus einem kleinen Zufluss.
(Foto: (Eawag, Cameron Hudson)



Stichling als potenzieller Konkurrent für Felchen

Dass sich der Stichling im Freiwasser des Bodensees seit einigen Jahren explosionsartig verbreitet und bis zu 90 Prozent der Fischindividuen ausmacht, war schon vor dem Projekt SeeWandel bekannt. Mit Genanalysen hatten die Forschenden auch nachweisen können, dass das Erbgut der Bodenseestichlinge aus drei Linien stammt: Aus dem Rhein, aus der Rhone und – im Gegensatz zur übrigen Schweiz – vor allem aus der Ostseeregion. Laut den SeeWandel-Forschenden ermöglichte es dieser einzigartige Genpool den Bodenseestichlingen, neben den Zuflüssen und Uferzonen auch das Freiwasser zu besiedeln. Da sie dort die gleichen Planktonarten fressen wie die Bodenseefelchen, machen sie diesen unter Umständen die Nahrung streitig, was vermutlich auch zum Rückgang der Felchendichte beigetragen hat.

 


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Blüte der Burgunderblutalge, hier auf dem Hallwilersee. (Eawag, Sabine Flury)


Keine Massenvermehrung der Burgunderblutalge zu befürchten

Ein erfreulicheres Ergebnis lieferte das Teilprojekt zur Burgunderblutalge. Die durch den Klimawandel erhöhten Wassertemperaturen haben zum Beispiel im Zürichsee dazu geführt, dass das Cyanobakterium zum Teil massenhaft auftritt. Im Bodensee hingegen gilt eine solche Blaualgenplage in nächster Zeit als unwahrscheinlich.

Ebenso erfreulich ist, dass sich einige Organismengruppen als erstaunlich widerstandsfähig gegenüber den Umweltveränderungen im Bodensee erwiesen haben. So konnten die Forschenden anhand von Sedimentkernen zeigen, dass in der Zeit der Überdüngung zwar neue, an nährstoffreiche Bedingungen angepasste Kieselalgenarten auftraten. Nach den Massnahmen zur Eindämmung der Nährstoffgehalte (Re-Oligotrophierung) kehrte sich diese Entwicklung jedoch um, sodass im heutigen Bodensee wieder Arten dominieren, die an nährstoffarme Bedingungen angepasst sind. Eine ähnliche Tendenz ist auch bei den Wasserpflanzen zu beobachten: Bewuchs und Ausdehnung in der Uferzone haben nach der Re-Oligotrophierung wieder deutlich zugenommen, auch wenn sich die Artenzusammensetzung und Häufigkeit etwas verändert haben.

Piet Spaak befürchtet, dass diese Erholung nur von kurzer Dauer sein wird: «Ich gehe davon aus, dass sich das Ökosystem Bodensee infolge von Klimawandel und invasiven Arten, wie Quaggamuschel und Stichling, in Zukunft stärker verändern wird, als dies in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Als Gegenmassnahme empfehlen wir, die Einschleppung weiterer gebietsfremder Arten zu verhindern.»







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Merkblatt Quaggamuschel:
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