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In Kanada ist ein ganzer Fluss verschwunden - in vier Tagen

 
Vor kurzem noch mehrere hundert Meter breit, heute ein staubiges Flussbett: Den Slims River im Yukon-Territorium gibt es nicht mehr. Ein erstaunlicher Fall von Flusspiraterie.

Da staunten die Herren Geowissenschaftler nicht schlecht, als sie im vergangenen August am Ziel ihrer Exkursion angekommen waren. Der stolze, prächtige Fluss, den es zu besichtigen galt, der Slims River, er war nicht mehr als eine langgezogene Pfütze. Wie konnte das sein?  Dan Shugar von der University of Washington Tacoma und seine Kollegen Jim Best (University of Illinois) und John Clague (Simon Fraser University) hatten einen Verdacht, der sich schnell bestätigte.

"Geologen haben Flusspiraterie schon in der Vergangenheit festgestellt, aber unseres Wissens wurde sie noch nie in Echtzeit dokumentiert", erklärt Shugar. Bisher hätten Forscher das Phänomen aus Daten rückwirkend erschließen müssen. Dieses Mal "passierte es direkt unter unseren Nasen."

Flusspiraterie also. Das ist erstens ein ziemlich guter Name für ein wissenschaftliches Phänomen (Englisch: river piracy) und zweitens der Fall, wenn ein Fluss dem anderen den Zulauf "raubt". So geschehen im malerisch-brutalen Yukon-Territorium, das östlich an Alaska grenzt.

Nach den Analysen von Shugar und seinen Kollegen, veröffentlicht in "Nature Geoscience", hat der starke Rückgang eines Gletschers den Slims River praktisch verschwinden lassen. Bis vor einem guten Jahr lieferte das nach Norden ablaufende Schmelzwasser des Kaskawulsh Glacier dem Fluss den Zulauf. Zudem versorgt der Kaskawulsh einen gleichnamigen, nach Süden fließenden Strom, der seinerseits in den Alsek River mündet.

Der Gletscher ist aber offenbar im vergangenen Jahr so stark geschmolzen und dabei den Berg "hochgeklettert", dass das Schmelzwasser nun nicht mehr den Weg in das Flussbett des Slims River findet, sondern vollständig in den Alsek fließt. Der wiederum verzeichnet seitdem ungewöhnlich hohe Wasserstände.

Der Slims River war ein vergleichsweise junger Fluss. Ihn gab es erst seit etwa 300 Jahren. Der geologische Prozess, der ihn nun verschwinden ließ, war ein gradueller, der sich 2016 beschleunigte und in dem Frühjahr einen Umschlagpunkt erreicht. 


So sah es am Slims River vor der Gletscherschmelze aus:

Innerhalb von nur vier Tagen, vom 26. bis zum 29. Mai., nahm der Wasserstand extrem ab, wie die Recherchen der Forscher ergeben haben. Zu seinen besseren Zeiten war der Slims zwischen 320 und 640 Metern breit.

Kaum vorstellbar, welche Wassermassen da nun "fehlen", wenn davon nur noch ein "langer, schmaler See" über ist, wie Shugar es beschreibt. "Jeden Tag konnten wir dabei zusehen, wie der Wasserstand sank." In dem nun weitestgehend staubigen Flussbett entstanden vergangenes Jahr mehrfach Sandstürme.

Es bleibt abzuwarten, wie das Ökosystem um den ehemaligen Fluss - und alle sonstigen betroffenen Gebiete inklusive der Beringsee und dem Golf von Alaska - mittelfristig reagieren werden. Starke Veränderungen sind wahrscheinlich.

Im Bereich des Flussbettes wurden etwa Alaska-Schneeschafe gesichtet, die sich sonst nicht so weit aus dem Kluane National Park gewagt hatten. In dem neuen Territorium dürfen sie gejagt werden.

Letzte Frage: Warum ist der Gletscher so schnell geschmolzen?


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© Dan Shugar/University of Washington Tacoma
Klimawandel: Fluss in Kanada in nur vier Tagen ausgetrocknet


Die Wissenschaftler haben errechnet, dass dieser erste, direkt beobachtete Fall von Flusspiraterie zu 99,5 Prozent auf die Klimaerwärmung seit der Industriellen Revolution zurückzuführen ist. 

"Das Ereignis ist relativ spezifisch, weil sehr außergewöhnliche geographische Gegebenheiten vorliegen", so erklärt John Clague, einer der Studienautoren. Dass ein Gletscher genau so liegt, dass er zwei Flüsse versorgt und sein Zurückgehen einen "Flussraub" möglich macht, ist also recht selten.

Mit anderen Worten: Wenn du beim nächsten sommerlichen Dinner/Gelage am Fluss nicht ständig Sand zwischen den Zähnen haben willst, dann wäre es vielleicht eine gute Idee, vermehrt das Auto stehen zu lassen und hier und da auf die gute Bockwurst zu verzichten. Sei niemals der Klimawandel, den du nicht haben willst.