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Felchen ist nicht gleich Felchen (Bericht vom Petri-Heil)


Mindestens 26 endemische Felchenarten fühlen sich in den Schweizer Gewässern – mehr oder weniger – wohl. In den letzten 60 Jahren sind zudem mindestens neun Arten aus­gestorben und ein Dutzend Arten ist im Moment noch nicht mal offiziell benannt.



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(klicken Sie auf das Logo vom Petri-Heil und ein kleiner Film über Felchen öffnet sich)


In Fischerkreisen wird noch häufig von nur einer Felchenart gesprochen. Wer aber besser fangen will, sollte seine Zielfische genau kennen. Vor allem, wie unterschiedlich sie sich verhalten. Das fehlende Bewusstsein dieser spezifischen Faktoren bescherte zumindest mir beim Felchenfischen schon viele ineffiziente Hegenenwechsel und Schneidertage. Meine Felchenkarriere begann auf dem Bielersee. Entsprechend hatte ich ein Sortiment von etwa 20 Gamben. Als ich nach einigen Jahren umzog und im Zürichsee fischte, wurden meine Bielerseenymphen von den Zürichseefelchen schnöde links liegengelassen. Ich bekam die Quittung für meine Unwissenheit. Jede Art bevorzugt ihren eigenen Lebensraum und hat ein eigenes Fress- und Fortpflanzungsverhalten. Die überwiegende Mehrheit der Felchenartigen ernährt sich sozusagen ausschliesslich von Zuckmückenlarven, Wasserflöhen, Flohkrebsen, Würmern, Eintagsfliegenlarven und anderen gerade zur Verfügung stehenden Kleinlebewesen. Doch ab und zu können bei einzelnen Arten auch mal Kleinfische auf dem Speiseplan stehen.


Einordnung Coregonus

«Zugegeben, die Unterscheidung ist nicht ganz einfach. Aber Felchen sind nicht einfach silbrige Fische», meint Dr. Oliver Selz begeistert. «Sie weisen z. B. verschiedene Farbtöne von Dunkelgrün zu Blau bis Braun auf dem Rücken auf und eine mehr oder weniger starke Pigmentierung des Schuppenkleides und der Flossen.»

Als Forscher an der Eawag (Abteilung Fischökologie und Evolution) ist Oliver Selz für die offizielle Aufarbeitung der Felchentaxonomie verantwortlich und staunt immer wieder über neue Erkenntnisse. Er hat sich zeitweilig ganz den Felchen verschrieben und systematisiert die Forschungsarbeiten zur Felchenvielfalt, die bis in die 1890er-Jahre zurückreichen. 

«Felchen gehören zu den Salmoniden…», soweit kann ich ihm folgen und füge wissend hinzu «erkennbar an der Fettflosse». «Von diesen gibt es drei Unterfamilien. Nämlich die Felchenartigen, Äschenartigen und die Forellen- und Lachsartigen. Die Felchen unterteilen sich dann nochmals in drei Gattungen. Im nördlichen Teil von Eurasien und damit bei uns kommt nur der Coregonus vor, welches die artenreichste Gattung ist. 

Sie unterscheiden sich genetisch, ökologisch und bezüglich Form und Gestalt. Entwickelt hat sich der Artenreichtum seit der letzten Eiszeit vor ca. 15 000 Jahren. Kommt eine Art nur in einem klar abgegrenzten Gebiet vor wie zum Beispiel einem See oder einem zusammenhängenden Seensystem und sonst nirgends auf der Welt, spricht man von endemisch. Genau das ist bei den 26 Felchenarten der Schweiz der Fall. Allerdings ist diese Zahl mit Vorsicht zu geniessen, da dies ein aktives Forschungsfeld ist.


Genau angepasste Fische

Das «Fresswerkzeug» (Maul und Kiemen) der einzelnen Arten ist entsprechend gut an den Lebensraum angepasst. Bei Fischen, die bodennahes Futter suchen, meist Kleintiere wie Insektenlarven oder Würmer, ist das Maul eher unterständig. Da beim Einsaugen auch Sedimente aufgenommen werden, müssen diese durch die Kiemen ausfiltriert werden. Die Anzahl der Kiemenreusendornen sind bei diesen Arten eher kurz und in geringerer Anzahl vorhanden, der Abstand also grösser. So z. B. der Balchen aus dem Vierwaldstättersee, der häufig benthische Nahrung (in Ufernähe) sucht, besitzt zwischen 22 und 32. Im Gegensatz dazu weisen z. B. Albeli 33 bis 42 lange Kiemenreusendornen und ein endständiges Maul auf. Sie fressen vornehmlich tierisches Plankton im Freiwasser und benötigen einen feineren Filter.


Das Laichverhalten

Die meisten Felchenarten laichen im Winterhalbjahr, wenn die Wassertemperatur unter 6 °C fällt und zumindest für die Arten, die in Ufernähe laichen, weiss man, dass sie vornehmlich beim Eindunkeln und in den ersten Nachtstunden laichen. Auf dem Zürichsee kann man dann ganz ufernah aus dem Wasser springende Felchenpaare sehen. Einige Arten, wie z. B. der Brienzlig aus dem Brienzersee, kennen saisonal gar zwei Laichzeiten, nämlich im Herbst und Spätwinter, und andere Arten laichen im Spätsommer/Herbst. Extrem variiert auch die Tiefe, in der sich die einzelnen Arten fortpflanzen: Meist bodennah, aber in einer Wassertiefe von 1,5 m (z. B. Balchen aus dem Vierwaldstättersee) bis 250 m (z. B. der Brienzlig aus dem Thunersee). Die Blaufelchen des Bodensees sind eine Ausnahme, sie paaren sich im Freiwasser (ca. 10 m bis zur Wasseroberfläche).


Artvermischung durch erhöhten Phosphatgehalt und Besatzmassnahmen

Die unterschiedlichen Arten laichen also in verschiedenen Wasserschichten zu teilweise unterschiedlichen Zeiten. Die räumliche Trennung der Laichgebiete, bezogen auf die Wassertiefe, wurde durch die Zunahme der Phosphatkonzentration gestört. Das durch den hohen Phosphatgehalt bewirkte Pflanzenwachstum und die daraus resultierenden Abbauprozesse bewirkte einen Sauerstoffmangel in tieferen Wasserschichten. Die Eier der tieflaichenden Felchen erhielten nicht mehr genug Sauerstoff und starben. Die Arten, welche darauf reagierten, verlagerten ihre Laichplätze und vermischten sich so mehr mit anderen Felchenarten, welche schon immer dort laichten. Diejenigen wiederum, die sich nicht anpassen konnten, starben zum Teil aus. Da die Felchen wirtschaftlich sehr interessant sind, wird in vielen Schweizer Seen Felchenbesatz betrieben. Beim Fang der Rogner und Milchner wird zwar Wert darauf gelegt, jeweils nur Fische einer Art abzustreifen und dabei die Erkenntnisse zu Laichhabitat und Laichzeit zu berücksichtigen. Dies dürfte aber nicht immer glücken, da sich die Laichzonen der Arten, vor allem entlang der Tiefe, nicht klar abgrenzen lassen und damit überlappen. Diese Bestandesförderung fördert die Hybridisierung, d.h. die Vermischung verschiedener Arten ebenfalls. Fremdbesatz mit Laich oder Jungfischen aus anderen Gewässern, wurde in der Schweiz früher auch betrieben, führte ebenfalls zu unerwünschter Hybridisierung, ist aber seit 1991 schweizweit verboten.


Die Köderwahl dem Futter anpassen

Als Sportfischer interessiert vor allem die Frage nach der aktuell fängigsten Hegene. Was fressen die Felchen also im Moment? Klar, die Farbe, Grösse und Form unserer Nymphen sollten dem am nächsten kommen. Mit dem Echolot können wir immerhin die Tiefe der Fische orten. Aber auch wenn sich grosse Schwärme unter unserem Boot tummeln, heisst das noch gar nichts. Will sich der Erfolg nicht so richtig einstellen, wechsle ich meine Hegenen mittlerweile weniger wegen der Farbe, sondern viel mehr, um andere Nymphen- und Hakengrössen in unterschiedlicher Tiefe zu probieren.

Bernhard Stegmayer




Wusstest Du, dass…
  • die meisten der 17 Schweizer Voralpenseen mehrere Felchen­arten beherbergen (bis zu sechs verschiedene pro See)?
  • Felchen Wanderfische sind und auch in Flüsse ziehen?
  • ein Balchen im Vierwaldstättersee nicht dieselbe Art ist wie der Balchen im Thunersee?
  • es Arten gibt, die auch im Sommer, Frühling oder Herbst laichen?
  • die eine Art in 1,5 m Wassertiefe laicht, die andere in 250 m?
  • es schnell, durchschnittlich und langsam wachsende Arten gibt?
  • die Arten auf Grund äusserer Umstände (z. B. wegen Eutrophierung) ihren Lebensraum verlassen und sich umstellen (müssen) oder aussterben?
  • die Anzahl der Kiemenreusendornen zeigt, welche Nahrung und Nahrungsgrösse eine Art bevorzugt?
  • tiefere Seen meist mehr Arten beherbergen als flachere?
  • Felchen über 70 cm gross werden können?