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Die Forderung der Berufsfischer stösst auf starken Widerstand.

NLZ-Bericht vom 01.06.2016

Mehr Phosphor im Vierwaldstättersee? Die Forderung der Berufsfischer stösst auf starken Widerstand.


«Phosphor ist kein Dreck, sondern ein lebensnotwendiger Nährstoff für die Fische und das gesamte Ökosystem.» Dieser Auffassung ist der Berufsfischerverband Vierwaldstättersee, der eine höhere Phosphorkonzentration im Vierwaldstättersee verlangt. Damit erhoffen sich die Berufsfischer, den in den letzten Jahren rückgängigen Fischbestand wieder zu erhöhen (Ausgabe von gestern). Doch mit dieser Forderung stechen sie in ein Wespennest, wie Reaktionen auf den Artikel zeigen.


Staat soll keine Berufe schützen

So bezeichnet etwa der Ökologe Hans-Niklaus Müller, Geschäftsführer des Landschaftsschutzverbandes Vierwaldstättersee, die Angelegenheit als «Witz des Jahres »: «Es ist unglaublich, dass zuerst Millionen von Franken in sauberes Wasser investiert worden sind und nun einige plötzlich wieder Dreck reinpumpen wollen. » Müller zeigt sich über das Anliegen der Berufsfischer nicht erstaunt, empört sich aber dennoch über deren einseitige Forderungen. Ihm zufolge ist es nicht vertretbar, dass gewisse Berufe nur ihrer Existenz willen vom Staat geschützt werden sollten: «Die Massnahmen gegen die Luftverschmutzung werden ja auch nicht gelockert, nur damit es wieder mehr Kaminfeger geben kann.» Die Wasserqualität zu verschlechtern, komme für den Landschaftsschutzverband deshalb nicht in Frage, sagt Müller. Auf die Vorwürfe angesprochen, erklärt der Verbandspräsident Michael Näpflin die Haltung der Berufsfischer: «Wir fordern keinen schmutzigeren See, sondern eine offene Diskussion über die Untergrenze der Nährstoffkonzentration.»


See wieder auf Niveau von 1950

Etwas mehr Verständnis für die Situation der Fischer zeigt das kantonale Umweltschutzamt. Doch auch hier kann der Berufsfischerverband wohl keine Unterstützung in dieser Angelegenheit erwarten. Dem Amt zufolge würde eine Reduktion der Reinigungsleistung der Kläranlagen die Erfolge der Gewässerschutzpolitik der vergangenen Jahrzehnte in Frage stellen und falsche Signale für die Zukunft setzen. Sowohl der Fischbestand als auch der Phosphorgehalt des Sees sind heute zudem in einem Bereich, wie sie es vor der Überdüngung des Sees vor rund 60 Jahren waren, wie Philipp Arnold, Teamleiter  für Oberflächengewässer, sagt. «Einer künstlichen Zugabe von Phosphor im einseitigen Interesse eines höheren Fischfangertrages können wir daher nicht zustimmen.» Zudem würde dies der aktuellen Gewässerschutzgesetzgebung widersprechen, ergänzt Arnold. Stattdessen wolle sich das Umweltschutzamt für die Aufwertung von Seeufern und Fliessgewässern engagieren und so bessere Lebensbedingungen für die Fischfauna schaffen.


«Ein Spiel mit dem Feuer»

Ob die verlangte Untergrenze von 10 Mikrogramm Phosphor pro Liter Seewasser den Berufsfischern überhaupt einen Nutzen bringen würde, wird von Experten bezweifelt. Laut Andri Bryner, dem Medienverantwortlichen des Wasserforschungsinstituts Eawag in Horw und Dübendorf, kann mehr Phosphor auch für Fischer unerwünschte Auswirkungen haben. «Anstelle der erhofften grösseren Felchen und Egli können auch invasive Fisch-, Kleinkrebs- oder Muschelarten gefördert werden, die das Nahrungsgefüge stark verändern können. » Als Beispiel nennt er die Stichlinge im Bodensee, die den dortigen Fischern zur Zeit das Leben schwer machten. Die Seen als Lebensräume stehen Bryner zufolge heute unter grossem Druck und sind stark von den Menschen geprägt. Pilotphasen mit mehr Phosphor in den Seen, wie von den Berufsfischern gefordert, würden zusätzlichen Stress bringen und seien deshalb «ein Spiel mit dem Feuer». Die Eawag weist ebenfalls darauf hin, dass die Fischerträge bis Mitte der 1960er-Jahre kaum höher lagen als heute. Dank des sauberen Wassers sei ausserdem die Fischarten- sowie die Wasserpflanzenvielfalt sehr hoch.


Wie soll das genau gehen?

Die Fischer sind dennoch von ihrem Anliegen überzeugt und wollen ein wenig am Phosphorrädchen drehen. Aus technischer Sicht wäre es nämlich einfach, die Phosphorkonzentration im See zu erhöhen. Daniel Geisser, Betriebsleiter von Abwasser Uri, erklärt: «Jede Abwasserreinigungsanlage, die eine Phosphatfällung betreibt, kann diese auch regulieren und den geforderten Grenzwert einstellen. » Die Grenzwerte orientierten sich an den behördlichen Einleitbedingungen. Auf nationaler Ebene wurden 2012 zwei Motionen aus Fischerkreisen abgelehnt, die ein Phosphormanagement verlangten. Phosphor gelangt über Abwasser aus Siedlungen, Dünger aus der Landwirtschaft oder in geringem Mass aus natürlichen Quellen in die Gewässer. Bis in die 1970er-Jahre wurde Wasser ungeklärt in die Gewässer eingeleitet und führte zur Überdüngung vieler Seen.