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FIBER Newsletter 02/2022 vom 06.09.2022

Fangfenster – Theorie und Beispiele aus der Praxis

Fangfenster zum Schutz von grossen Fischen werden zurzeit viel diskutiert und auch von der Forschung wird auf die Bedeutung von Fangfenstern als Möglichkeiten zum Schutz von Mehrfachlaichern hingewiesen. Gerade in intensiv befischten Gewässern kann eine starke Auslese für grosse Individuen auftreten und negative Effekte mit sich ziehen. Wie geht die Fischerei heutzutage damit um?


Grosse Fische sind aus vielen Gründen wichtig für den Fischbestand. Sie tragen die Gene für ein gutes Wachstum und sind optimal angepasst an ihr Gewässer. Weiter nimmt die Fruchtbarkeit und damit die Anzahl Eier bei weiblichen Fischen, mit steigender Länge exponentiell zu. Die grossen Fische investieren weniger in das Wachstum und mehr in die Fortpflanzung. Weibliche Forellenartige schlagen zudem tiefere Laichgruben als ihre kleineren Artgenossen, was einen besseren Schutz vor Hochwasserereignissen bietet. Auch sind die Nachkommen von Mehrfachlaichern generell deutlich erfolgreicher als diejenigen von Erstlaichern.


Von der Theorie… 

Ein Fangfenster ist ein festgelegter Grössenbereich, in welchem eine Fischart entnommen werden darf, man könnte also auch von einem Entnahmefenster sprechen. Kleinere und grössere Exemplare müssen beim Fang wieder ins Gewässer zurückversetzt werden. Bei einer starken Befischung einer Fischart ohne Fangfenster steigt der Fangertrag zwar an, die Durchschnittsgrösse der gefangenen Fische sinkt allerdings mit der Zeit. Dies passiert, weil die Fische entnommen werden bevor sie ihre Wachstumsmöglichkeiten ausgeschöpft haben; dabei spricht man auch von Wachstumsüberfischung. Nach dem Berliner Fischereiprofessor Robert Arlinghaus sind, mit Ausnahme von verbuttetten Arten, insbesondere alle Raubfische grundsätzlich anfällig auf Wachstumsüberfischung. Ist die Entnahme anhaltend hoch, oder wird sogar noch verstärkt kann im Extremfall sogar ein ganzer Bestand einbrechen. Der tolerierbare Befischungsdruck einer Population hängt stark mit dem Erfolg der Fortpflanzung zusammen. Ein totaler Bestandes-Zusammenbruch kann durch ein angemessenes Fangmindestmass vermieden werden. Ein Fangmindestmass schützt aber nicht zwingend vor einer ungewollten evolutiven Auslese für langsamer wachsende Fische, da sich diese häufiger fortpflanzen können bevor sie entnommen werden dürfen. Bei einem Fangfenster hingegen verbleiben theoretisch mehr grosse Individuen im Gewässer und eine starke Auslese von grosswüchsigen Artgenossen wird vermieden. Als Faustregel sollten die obersten 20% der natürlichen Grössenverteilung geschützt werden. Mit ansteigendem Befischungsdruck ist es empfohlen den fangbaren Grössenbereich zu verkleinern.


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Fangfester – was sie bewirken 

Wird eine Fischart in einem Gewässer durch ein Fangfenster geschützt, so bleiben mehr grosse Tiere in einem Gewässer erhalten. Die fangbare Biomasse wird dadurch zwar anfänglich reduziert, dafür wird der Laichtierbestand gestärkt und die erhöhte natürliche Fortpflanzung sorgt bei guter Funktion für eine gesteigerte Menge an Nachwuchs. Dadurch können die Fangzahlen potenziell gesteigert werden und Besatzmassnahmen können gedrosselt oder ganz weggelassen werden.

In einem rund 40 Hektaren grossen See in Missouri in den USA konnte nach der Einführung eines Fangfenster für Schwarzbarsche innert fünf bis sechs Jahren eine Steigerung der Wachstumsraten und eine Normalisierung der Grössenverteilung beobachtet werden. Die Länge von fünfjährigen Fischen steigerte sich von gut 30 cm auf rund 39 cm. Die entnommene Biomasse (Summe des jährlich gefangenen Fischgewichts) wurde durch die Einführung des Fangfensters nicht gesenkt. Erfahrungen mit Fangfenstern für Hechte in Minnesota zeigen, dass es wichtig ist Regulationen mit Fangfenstern gut zu kommunizieren und zu kontrollieren, da häufige Regelverstösse deren Wirksamkeit potentiell mindern können.

Das Bundesgesetz über die Fischerei (BGF) legt in der Schweiz wo nötig Mindestmasse für Fischarten fest und sorgt damit dafür, dass sich jeder Fisch einer solchen Art mindestens einmal fortpflanzen kann. Die Kantone und in Absprache mit diesen auch Vereine und Pächterschaften können das Bundesgesetz danach gewässerspezifisch verschärfen.


Wie gehen die Kantone aktuell damit um? 

Die untenstehende Tabelle gibt eine Übersicht über die aktuelle Anwendung von Fangfenstern in der Schweiz. In Kantonen mit Fangfenstern (wie Jura, Freiburg, Graubünden) werden diese momentan auf Forellen (Bach- und Seeforellen) angewendet. Dies primär zum Schutz von Mehrfachlaichern, so dass allerdings kapitale Fische, welche ihren Beitrag zum Genpool geleistet haben, wiederum entnommen werden dürfen. Die Möglichkeit zur Entnahme von kapitalen Fischen ist ein Kompromiss, ein möglicher Grund ist, dass sonst möglicherweise nicht überlebensfähige kapitale Fische getötet und zurückversetzt werden müssen. Der Kanton Bern setzt Fangfenster temporär im Spätsommer ein, um grosse Seeforellen zu schützen, welche vor Beginn der generellen Forellenschonzeit in die wichtigen Zuflüsse der drei grossen Berner Seen aufsteigen.


 
Fallbeispiel Kanton Graubünden – So kam es zur Einführung des Fangfensters 

Marcel Michel vom Amt für Jagd und Fischerei des Kantons Graubünden (AJF) erläutert das aktuelle Fischereimanagement des Kantons. Alle Bestandteile des Fischereimanagements, werden regelmässig überprüft. Im Zentrum stehen dabei die Artenvielfalt, die einheimischen Fisch- und Krebsbestände, intakte aquatische Lebensräume sowie eine nachhaltige Fischerei. Die fischereiliche Bewirtschaftung wird dazu alle 5 Jahre überprüft und wo nötig angepasst. Das Entnahmemanagement wird alle 3 Jahre kontrolliert und wo nötig angepasst. Im Zuge der vorletzten Überprüfung ist der Kanton Graubünden zum Schluss gekommen, dass man mit lediglich zwei Fangmassen für die Bachforelle (22 cm und 24 cm) den tatsächlichen Gegebenheiten bezüglich Eintritts in die Geschlechtsreife und adäquater Schutz der Laichtiere nicht ausreichend gerecht wurde. Entsprechend hat das AJF eine breit angelegte Studie in Auftrag gegeben, um das Wachstum der Bachforelle und die Grösse/Alter bei Eintritt in die Geschlechtsreife zu ermitteln. Für 50 Gewässer diverser Höhenlagen und Einzugsgebieten wurde dies untersucht. Aus den Resultaten wurden dann die Fangmasse abgeleitet, welche einen ausreichenden Schutz der Erstlaicher und mehrheitlich auch der Zweitlaicher bieten sollen. Dabei wurde auch der Befischungsdruck und der Grad der Naturverlaichung berücksichtig. In Gewässern, wo die die Bachforellen eine gewisse Grösse erreichen bzw. eine ausreichende "Spannweite" zwischen Grösse bei Eintritt in die Geschlechtsreife und Maximalgrösse erreichen, wurden Fangfenster als neue, zielführende Bestimmung eingeführt. Damit ein Fischer nicht auf den Fang seines Lebens verzichten muss, dürfen Bachforellen > 50 cm auch wieder entnommen werden. 

 


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